Schuld sind immer die Anderen

Von Jens Lindenmüller

Markdorf Das Pressegespräch des Landtagsabgeordneten Martin Hahn (Grüne) zum Straßenbau im Bodenseekreis hat eine Reihe von Fragen aufgeworfen. Dass einige seiner Aussagen zu den Ortsumfahrungen Markdorf, Bermatingen und Neufrach jenen aus dem konservativen Lager widersprechen, ist politischer Alltag. Teilweise passen sie aber auch nicht zur Darstellung des von Parteikollegen geführten Verkehrsministeriums. Zumindest zur offiziellen. Da nun mal wieder die alles andere als zielführenden Verbalgefechte mit gegenseitigen Schuldzuweisungen der politischen Lager entflammt sind, versucht schwäbische.de, etwas Licht ins Dunkel zu bringen:

Gibt es eine politische Entscheidung der Landesregierung, für die Südumfahrung Markdorf keine Mittel zur Verfügung zu stellen?

Offiziell gibt es eine solche Entscheidung laut Verkehrsministerium nicht. Ebenfalls offiziell begründet Martin Hahn seine Einschätzung, der Bau der Südumfahrung sei „illusorisch“, damit, dass nicht genügend Geld vorhanden ist. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass er sich zur Südumfahrung Kehlen in den vergangenen Tagen überhaupt nicht geäußert hat. Denn auch diese ist als Kreisstraße geplant und soll mit GVFG-Mitteln gefördert werden. Von schwäbische.de auf die Kehlener Umfahrung angesprochen, sagte Hahn am Dienstag: „Diese Straße ist ja politisch unumstritten.“ Falls es nun so sein sollte, dass die Landesregierung nach Ablauf ihrer selbst auferlegten Bewilligungssperre für neue kommunale Straßenbaumaßnahmen in den Jahren 2012 und 2013 Mittel für die Südumfahrung Kehlen freigeben wird, für die Südumfahrung Markdorf aber nicht, dann wäre das ein Beleg dafür, dass eben doch eine politische Entscheidung dahintersteckt. Wenngleich zu berücksichtigen ist, dass es für Kehlen bereits einen Planfeststellungsbeschluss gibt - der allerdings beklagt wird.

Steht heute bereits fest, dass es keine Landesmittel für die Südumfahrung Markdorf geben wird?

Martin Hahn vermittelt diesen Eindruck, letztendlich ist seine Aussage aber eine Interpretation, die man im Verkehrsministerium nicht teilt. Erneute Einschränkung: offiziell. Wann beziehungsweise ob Mittel zur Verfügung gestellt werden, hängt von mehreren Faktoren ab: Erstens davon, ob es in Stuttgart tatsächlich eine politische Entscheidung gegen die Südumfahrung gegeben hat oder noch geben wird (siehe Frage 1), zweitens davon, wie viel Geld die Landesregierung innerhalb des GVFG-Programms für den Straßenbau ausgeben möchte, und drittens davon, ob die schwarz-gelbe Vorgängerregierung tatsächlich zu viel versprochen und zu wenig finanziell abgesichert hat. Eine Vermutung, die nicht ganz von der Hand zu weisen ist.

Gibt es eine verbindliche Zusage für GVFG-Mittel für die Südumfahrung Markdorf?

Martin Hahn behauptet, dass es eine solche Zusage auch unter der schwarz-gelben Landesregierung nie gegeben habe. Der Knackpunkt ist hier, wie man den Begriff „verbindliche Zusage“ definiert. Wie das Verkehrsministerium auf Nachfrage der SZ erklärt, ist eine Bewilligung von Fördermitteln überhaupt erst dann möglich, wenn ein Planfeststellungsbeschluss steht – den es für die Südumfahrung eben noch nicht gibt. Da es nicht sinnvoll ist, ein teures Planfeststellungsverfahren zu eröffnen, ohne zumindest eine solche Bewilligung in Aussicht gestellt zu bekommen, gibt es die sogenannte „nachrichtliche Aufnahme“ in ein Förderprogramm. Dass diese für die Südumfahrung erfolgt ist, bestätigt auch das Verkehrsministerium.

Gibt es für die Umfahrungen Bermatingen und Neufrach eine Zusage für Fördermittel des Landes?

Martin Hahn behauptet, dass für diese beiden Straßen „in keinem Haushalt Mittel bereit gestellt“ worden seien. Fakt ist, dass die Umfahrungen Bermatingen und Neufrach noch von der schwarz-gelben Landesregierung in das Impulsprogramm aufgenommen worden sind. Das bestreitet auch das Verkehrsministerium nicht. Allerdings gibt man dort zu bedenken, dass die alte Regierung dieses Programm der neuen Regierung mit einer Unterfinanzierung hinterlassen habe. Das heißt, dass das damals bereitgestellte Geld nicht ausreicht, um die damals in das Programm aufgenommenen Projekte zu finanzieren.

Welche Chance auf zeitnahe Umsetzung haben die Umfahrungen Bermatingen und Neufrach?

Nach Einschätzung von Martin Hahn in den nächsten zehn Jahren überhaupt keine. Er begründet das mit den zu knappen Mitteln einerseits und der angekündigten Priorisierung der Straßenbauprojekte im Land andererseits. Denn die werde mutmaßlich dazu führen, dass diese beiden Straßen weit nach hinten rücken. Eine Pille, die die Region aus der Sicht von Martin Hahn zugunsten der B 31 schlucken muss. Denn die Kriterien, die die Ortsumfahrungen nach hinten rücken lassen, werden laut Hahn bei der Priorisierung der Bundesstraßenbaumaßnahmen dazu führen, dass die B31-Abschnitte Friedrichshafen und Überlingen vordere Plätze einnehmen werden. Worauf Hahn allerdings gar nicht eingeht, ist das Impulsprogramm. Da die Umfahrungen Bermatingen und Neufrach bereits aufgenommen worden sind, kann eine Priorisierung auch nur innerhalb dieses Programms erfolgen. Die Grundlagen für eine Prognose für Bermatingen und Neufrach sind aktuell demnach noch sehr schwammig.

(Erschienen: 18.01.2012 23:00)